Die Strickschule
Von J. Trojan
O schwere Kunst! Wohl jedem, der als Mann
Geboren ist und, frei von dieser Plage
Sich seines Daseins wirklich freuen kann!
So denkt manch armes Mägdlein ohne Frage
Und hat aucch wol in dem Gedanken Recht –
Wie ich bescheiden zu behaupten wage.
Ich diente lieber zwanzig Jahr’ als Knecht
Bei einem harten Mann, eh ich erlernen
Aufschlagen, Mindern, Hack’ ansetzen möchte!
Um nicht von unserm Bild mich zu entfernen,
wie sehr bedaur’ ich dich, du junge Welt
Der solch Geschick bestimmt ward in den Sternen!
Ich seh es, wie noch manche Thräne fällt,
eh dir’s gelingt, dieKenntniß zu gewinnen,
die deine Lehrerin für nöthig hält.
Doch tröstet euch, ihr kleinen Strickerinnen!
Ein Ende haben wird auch diese Pein,
wie sie begonnen hat, wird sie zerrinnen.
Eh vielmals noch im Frühlingssonnenschein
Der Schnee zerschmolzen, wird zu eurem Frommen
Verändert manches, manches besser sein.
Es wird, von dem noch nicht ihr habt vernommen
Ein kleiner Gott euch nahen, der beglückt,
mit ihm zugleich wird der Geliebte kommen.
Der mag es gar nicht leiden, dass sie strickt,
die ihn bestrickt – er zählt zu ihren Schwächen
Das Stricken, wenn er sie dabei erblickt.
Er möchte doch ein Wörtchen mit ihr sprechen:
Das duldet, ach, das Maschenzählen nicht,
nicht das Besinnen und das Kopfzerbrechen.
Die Nadeln droh’n ihm, bringt er sein Gesicht
Dem seiner Liebsten nah, in solcher Weise,
dass er muss fürchten für sein Augenlicht.
Und es verdrießt ihn, auf die Maschenkreise
Gesenkt zu sehn das Köpfchen unverwandt.
Er bittet, fleht – und endlich nimmt er leise
Das Strickzeug der Geliebten aus der Hand.
Aus der Damenzeitschrift "Der Bazar" von 1878
O schwere Kunst! Wohl jedem, der als Mann
Geboren ist und, frei von dieser Plage
Sich seines Daseins wirklich freuen kann!
So denkt manch armes Mägdlein ohne Frage
Und hat aucch wol in dem Gedanken Recht –
Wie ich bescheiden zu behaupten wage.
Ich diente lieber zwanzig Jahr’ als Knecht
Bei einem harten Mann, eh ich erlernen
Aufschlagen, Mindern, Hack’ ansetzen möchte!
Um nicht von unserm Bild mich zu entfernen,
wie sehr bedaur’ ich dich, du junge Welt
Der solch Geschick bestimmt ward in den Sternen!
Ich seh es, wie noch manche Thräne fällt,
eh dir’s gelingt, dieKenntniß zu gewinnen,
die deine Lehrerin für nöthig hält.
Doch tröstet euch, ihr kleinen Strickerinnen!
Ein Ende haben wird auch diese Pein,
wie sie begonnen hat, wird sie zerrinnen.
Eh vielmals noch im Frühlingssonnenschein
Der Schnee zerschmolzen, wird zu eurem Frommen
Verändert manches, manches besser sein.
Es wird, von dem noch nicht ihr habt vernommen
Ein kleiner Gott euch nahen, der beglückt,
mit ihm zugleich wird der Geliebte kommen.
Der mag es gar nicht leiden, dass sie strickt,
die ihn bestrickt – er zählt zu ihren Schwächen
Das Stricken, wenn er sie dabei erblickt.
Er möchte doch ein Wörtchen mit ihr sprechen:
Das duldet, ach, das Maschenzählen nicht,
nicht das Besinnen und das Kopfzerbrechen.
Die Nadeln droh’n ihm, bringt er sein Gesicht
Dem seiner Liebsten nah, in solcher Weise,
dass er muss fürchten für sein Augenlicht.
Und es verdrießt ihn, auf die Maschenkreise
Gesenkt zu sehn das Köpfchen unverwandt.
Er bittet, fleht – und endlich nimmt er leise
Das Strickzeug der Geliebten aus der Hand.
Aus der Damenzeitschrift "Der Bazar" von 1878
Bibassi1 - 6. Sep, 09:57